Samstag, 3. März 2018

Unfall auf dem Eis


Ich war ja immer der Meinung, im Leben nicht alles erleben zu müssen. Aber eine eher ungewöhnliche, ziemlich unangenehme und echt gefährliche Erfahrung habe ich mit meinem Jüngsten diese Woche machen müssen. Darauf hätte ich gut verzichten können und habe auch etwas gebraucht, bis ich hier überhaupt darüber schreiben konnte. Aber der Reihe nach. 

Entgegen der Vorhersagen war seit Mitte der Woche ein Teil des Gnadensees vor der Insel Reichenau zugefroren. Seitdem waren dort Schlittschuhläufer und Spaziergänger unterwegs, sogar heute noch. Dieses Wintervergnügen wollten wir uns nicht entgehen lassen. Da der Liebste leider keine Zeit und die Töchter keine Lust hatten, bin ich mit dem kleinen Bruder am Mittwoch, unserem einzigen freien Nachmittag, auf die Insel gefahren. Wir haben uns in die wildparkenden Autos eingereiht und sind über eine Wiese hinunter zum See gelaufen. Dort war schon einiges los, Spaziergänger und Schlittschuhläufer waren unterwegs und auch Eishockey wurde gespielt.

Wir zogen die Schlittschuhe an, ließen die Schuhe dort stehen und los gings. Anfangs war die Qualität des Eises schlecht, ungleichmäßig, hubbelig und aufgeraut. Der Wind war an dem Tag noch recht eisig und unangenehm. Ich schätze das Eis auf mindestens 5 cm Dicke, aber wer kann das ohne Messung schon so genau sagen. Der kleine Bruder entdeckte laufend Interessantes auf dem Seeboden, den man unter dem Eis sieht, dass er mir zeigen wollte. Aber auch die unterschiedlichen Eisstrukturen waren spannend. Und ich habe natürlich viele Fotos gemacht.

Später weiter Richtung Hegne wurde die Eisqualität besser und wir hatten Spaß und konnten richtig schnell laufen. Der kleine Bruder kann inzwischen und auch dank dem letzten Training schon richtig prima eislaufen. Dann drehten wir wieder um und auf besonders glatten Flächen probierte ich ein bisschen Eiskunstlauf und mein Jüngster wollte wissen, wie das geht. Und dabei sind wir irgendwie ein wenig von der allgemeinen Route abgekommen und hatten plötzlich zwischen Ufer und uns dünnere Stelle, die wie Seen aussahen und die wir mieden. Kurz darauf brach eine Frau an einer solchen Stelle ein. Ich war unsicher, denn ich hatte nichts, womit ich ihr hätte helfen können. Überhaupt hatte ich noch nie miterlebt, dass jemand einbricht. Da sie nur bis etwa Kniehöhe versunken war, schaffte sie es durch flaches Hinlegen, alleine heraus und wurde gleich von Vorbeikommenden mit zurück genommen.

Ziemlich verunsichert blieben wir zurück und wussten nicht mehr recht, wie wir den Weg zurück fortsetzten sollten. Eisläufer waren plötzlich auch keine mehr in der Nähe. Und kurz darauf passierte es, wir brachen beinahe gleichzeitig ins Eis ein. Das war ein Schreck. Dem kleinen Bruder ging das Wasser bis zur Brust und mir bis zur Hüfte. 
 
Ich versuche aus eigener Kraft aufs Eis zu kommen, aber es brach. Und der Sand und Schlick unter den Schlittschuhkufen gab keinen Halt. Ich konnte den kleinen Bruder aufs Eis heben, er legte sich flach hin und ich gab ihm einen Schubs, so dass er übers Eis rutschte. Zu meinem großen Glück war jetzt doch ein Eisläufer vorbei gekommen. Ich zog meinen Rucksack ab und schubste ihn übers Eis. Der Mann warf mir ein Seil mit einem Kunststoffpickel zu, ich schaffte es aber nicht, den ins Eis zu hauen. Da nahm der Mann das andere Seilende und zog, aber das Seil riss. Mit dem halben Seil konnte er mich dann aber herauszuziehen. Habe ich ein Glück gehabt. Im 2°C kalten Wasser überlebt man nur etwa 15 Minuten. Und bis die Rettung gekommen wäre...
 
Da standen wir zwei dann klatschnass und wussten nicht, wo wir sicher weiterlaufen konnten. Unser Retter sagte noch, wir sollten in die andere Richtung laufen, was wir dann auch machten, immer mit der Angst nochmal einzubrechen. Wir machten also einen Bogen und irgendwie schafften wir es zurück, unsere Jacken und Hosen hatte inzwischen Eiskrusten. Nette Leute halfen dem Kleinen Bruder seine Schuhe zu wechseln. Ich hatte dummerweise meine vollgesogenen Handschuhe ausgezogen und in den Fingern vor Kälte inzwischen solche Schmerzen, dass ich es kaum schaffte, meine Schlittschuhe zu öffnen und in die Schuhe zu schlüpfen.
 
Ich konnte unsere Schlittschuhe kaum noch tragen und ließ sie dann am Weg liegen, um sie später mit dem Auto zu holen. Ich hatte sogar Ersatzkleidung für uns im Auto, schaffte es aber vor Schmerzen in den Händen nicht, die hartgefrorenen Sachen auszuziehen. Und ich musste Vorübergehende bitten, uns unsere Skihelme zu öffnen. Der kleine Bruder wickelte sich in eine Decke und ich fuhr los. Ich sammelte erst noch unsere Schlittschuhe ein und weiß bis heute nicht, wie ich die Viertelstunde nach Hause geschafft habe. Die Sitz-Heizung hat mir jedenfalls sehr geholfen.
 
Zu unserem Glück war der Liebste zuhause. Während wir sofort unter die warme Dusche gingen, kümmerte er sich um unser nasses Zeugs und entfachte im Kamin ein ordentliches Feuer. In eine Decke eingewickelt und bei einem heißen Tee wurden wir beide langsam wieder warm und ich konnte meine Fingerkuppen schließlich wieder spüren.
 
Die Sachen im Rucksack sind allesamt trocken geblieben, dagegen ist meine kleine Kamera, die in meiner Jackentasche war, wohl hinüber. Die Speicherkarte hat das Bad im See unbeschadet überstanden. Der kleine Bruder meinte übrigens ungerührt: "Mama, jetzt haben wir gar keine Fotos von uns, wie wir eingebrochen sind!" Na Dankeschön! Und ich hoffe, niemand hat uns gefilmt und den Film dann auf YouTube eingestellt.

In den letzten Nächten war es für mich schwierig einzuschlafen. Sobald ich im Bett liege, beginnt das Gedankenkarussell. Was wäre gewesen wenn... An den Beinen habe ich ein paar blaue Flecken und Schmerzen im Bereich der Rippen und der Brustmuskelatur. Aber was ein Glück, bisher sind wir nicht krank geworden!

















































































14 Kommentare:

  1. Die Fotos sehen so wunderschön aus, man ahnt nichts von den Schrecklichkeiten die dann passierten. Nicht auszudenken was hätte passieren können.
    Ich kann mir gut vorstellen das der Schreck bei euch tief sitzt.
    Zum Glück ist alles gut gegangen.
    Liebe Grüße
    Susa

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  2. Zum Glück! Der Bericht hat mich denn doch sehr schockiert...
    Alles Gute!
    Astrid

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  3. Oh Gott, wie gut, dass ihr da heil wieder rausgekommen seid. So ein Erlebnis würde mich auch noch länger beschäftigen. Schade um deine Kamera, aber die kann man zum Glück ersetzen, Gesundheit ist wichtiger.

    Liebe Grüße und ein erholsames Restwochenende,
    Jessica

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  4. Liebe Gina,
    das was da geschehen ist, war ja DER Horror schlechthin und hätte wirklich böse enden können.
    Schon oft war ich auf zugefrorenen Seen Schlittschuhlaufen, sogar damals mit dem Kinderwagen. Immer beschlich mich ein leichtes Gruseln aber nie ist etwas passiert. Ich glaube nicht, dass ich nach deiner Geschichte nochmal aufs Eis gehen werde.
    Ihr ward gewiss nicht leichtsinnig.
    Beim Lesen habe ich regelrecht die Luft angehalten. Gott sei Dank, dass es euch gut geht!
    Herzlicher
    Claudiagruß

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  5. Oh mann, da habt ihr ja nochmal Glück gehabt! Wie schnell sich ein schöner Tag manchmal ändern kann! Unser Hund ist letztes Jahr beim Spaziergang am See plötzlich auf den See (nur dünnes Eis) gelaufen und eingebrochen und kam selber nicht mehr raus. Meine Schwester hat sich bäuchlings liegend bis zu ihm geschoben um ihn raus zu ziehen, kam dann aber nicht zurück, weil sie den Hund mit beiden Händen festhalten und sich nicht abstützen konnte. Meine Mutter hatte ihr zum Glück schnell die Hundeleine ums Bein gebunden, bevor sie aufs Eis ist und konnte sie so raus ziehen. Sie mussten dann auch noch 20 Minuten zum Auto laufen. Das war auch ein großer Schreck und die Frage: "Was wäre, wenn..." beschäftigt einen dann schon sehr. Ich wünsche euch gute Erholung und dass ihr diese Aktion körperlich und emotional gut verkraften könnt. Alles Gute! Tabea

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  6. Oh Gina, ich hab eine Gänsehaut. Nicht auszudenken was wäre wenn...Ich bin nun mit dankbar, dass euch nicht noch schlimmeres passiert ist!
    Alles Liebe, Maike

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  7. Gut,dass der Bodensee an der Stelle nicht ganz so tief war...ich kenne das im Eis einbrechen von unserem Dorfweiher von Früher her.... nicht schön- ist untertrieben....Du hast super reagiert- der kleine Bruder hat es als Abenteuer und nicht als Gefahr gespeichert....wünsche Dir,dass Dein Kopfkino bald aufhört! Doro
    P.S. … und auch ich sage,sehr schöne Eisbilder- es hat halt alles immer 2 Seiten...

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  8. Liebe Gina,das war ja ein richtiges Horrorerlebnis.Wie gut ,dass ihr glimpflich davongekommen seid!!!Es tut dir bestimmt gut,viel darüber zu reden und bestimmt auch das Schreiben hier.
    Viele Grüße und alles Gute,
    Monika

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  9. Ich habe beim lesen die Luft angehalten, bin sehr froh das es euch beiden gut geht. Und deinen Kopfkino mit was wäre wenn kann ich gut nachvollziehen, es ist ein einschneidendes Erlebnis. Ich hoffe das ihr beide es gut wegstecken könnt.
    Liebe Grüße und erholt euch gut.
    Papatya

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  10. Gina, ich konnte heute morgen nicht weiter lesen, so sehr hat es mich gegruselt. Gut, dass alles gut ausgegangen ist!

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  11. Gott sei Dank, dass ihr wohlauf seid!
    Alles Liebe und wieder guten Schlaf, Heike

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  12. Oh Gina, was für ein Glück ihr hattet! Ich bin so froh! Ihr habt einen guten Schutzengel...(und den Retter, der genau zur rechten Zeit bei euch vorbei fuhr!)
    Dein Bericht hat mir Gänsehaut verursacht. Bei uns am Altmühlsee ist gestern ein Mann verunglückt. Er ist ins Eis eingebrochen. Die Rettungskräfte kamen zu spät. Es konnte ihm niemand helfen...

    Ich glaube, ich traue mich nicht mehr aufs Eis... es scheint mir so gefährlich... wie froh ich bin, dass euch nichts passiert ist....

    Liebe Grüße aus dem kleinen Haus am See

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  13. Da habt Ihr aber ein Abenteuer der besonderen Art erlebt! Gott sei Dank ist alles gut gegangen!!! Als Kinder sind wir gefühlt den ganzen Winter auf dem Eis und auf Schlittschuhen gewesen, manchmal bis zum Knie eingebrochen- im Schilf oder am Rand irgendwo... aber das ... haben wir nicht erlebt!
    Herzliche Grüße und verarbeitet den Schock gut! Birgit

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  14. au weia..
    da hat es mich eben doch geschüttelt..
    da hattet ihr ein paar gute Schutzengel
    ja.. das Eis ist tückisch
    und man sollte möglichst sehen dass man im Uferbereich und unter anderen Menschen bleibt auch wenn es noch so verlockt da zu laufen wo weniger los ist
    gut dass euch nichts weiter passiert ist
    liebe Grüße
    Rosi

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